Freude am aktiven Musizieren

Sinfoniekonzert des Instrumental-Vereins Wuppertal, gegr. 1830

von Johannes Vesper

Foto © Johannes Vesper

„Freude am aktiven Musizieren“
Sinfoniekonzert des Instrumental-Vereins Wuppertal gegr. 1830
 
Wagner-Elgar-Mendelssohn-Bartholdy
 
Von Johannes Vesper
 
Richard Wagner (1813-1883) und Felix Mendelssohn-Bartholdy (1809-1847) in einem Konzert zu spielen ist merkwürdig. Richard Wagner hatte dem erfolgreichen Generalmusikdirektor in Leipzig seine einzige Sinfonie geschenkt, die dieser nicht aufgeführt hat. Er neidete ihm seinen Erfolg, während er in Paris kaum über die Runden kam und bei mal wieder erheblichem Geldmangel sogar Stiefel ohne Sohlen trug. Tatsächlich! Wahrscheinlich trieb u.a. chronischer Sozialneid auf Mendelssohn und Meyerbeer Richard Wagner zu seinem Pamphlet „Das Judentum in der Musik“, welches er zunächst (1850) unter Pseudonym, 1869 dann aber unter eigenem Namen sogar zum zweiten Mal veröffentlicht hat. Das war rund ein Jahr nach seinem triumphalen Erfolg der Uraufführung der Meistersinger 1868 in München. Nicht alle waren damals von der Musik so überzeugt wie die bayrischen Fans. Der wichtigste Musikkritiker seiner Zeit, Dr. Eduard Hanslick, schrieb ohne Kenntnis dessen, was wir heute unter Terror verstehen, über die „Meistersinger“: „Terrorismus des Blechs, wüstes Getümmel, haarsträubendes Dissonanzen, von einem schillernden Amalgam von Halbpoet und Halbmusiker“.
 

Christoph Hilger am Pult - Foto © Johannes Vesper

Christoph Hilger, seit 2006 Chefdirigent Instrumentalvereins Wuppertal, eines der ältesten deutschen Laienorchester, ging die berühmte Ouvertüre sehr flott an, jagte mit weitem Dirigat die Violinen hinauf in höchste Höhen (heikel !), behielt immer die Übersicht im komplexen orchestralen Geschehen, sorgte für ausdrucksstarke schwellende Dynamik und klangreiche Mittelstimmen. Hanslick hätte nach dieser Aufführung seine Kritik sicher ganz anders abgefaßt. Immerhin wird fast das gesamte musikalische Material der Oper in der Ouvertüre vorgestellt und inklusive der Prügelszene mit Fuge und unübersichtlicher Polyphonie durchgearbeitet. Das Tohuwabohu endete nach Vergrößerung mit einem letzten Durchgang des prächtigen Themas. Großer Applaus des zahlreich erschienenen Publikums.
 

Anne Yumino Weber - Foto © Johannes Vesper

Edward Elgar (1857-1934) gilt als einer der Begründer moderner klassischer Musik Englands und war dem Violoncello sehr verbunden, entfaltet doch eines seiner berühmtesten Werke „Salut d`amour“ (op. 12 von 1888), ursprünglich für seine Verlobte geschrieben, erst auf dem Cello den ganzen Schmelz der jungen Liebe. Das junge Paar hat sich um 1900 schon Fahrräder gekauft und regelmäßig Fahrradtouren unternommen und ein Denkmal des Komponisten zeigt ihn mit Fahrrad.
Sein Cellokonzert (op. 85) beginnt mit akkordischen Doppelgriffen, mit einem melancholischen Rezitativ und zunächst dunklem Ton des Cellos, welches sich später mit langem Anstieg in höhere Höhen begibt. „Ich kann mir nicht vorstellen, jemals wieder ein neues Stück zu vollenden. Es gibt keinen Anreiz, etwas zu Ende zu bringen“ hat 1917 subdepressiv, jedenfalls resignativ geschrieben. Seine Frau war an Lungenkrebs erkrankt, würde bald sterben. Der gräßliche Krieg in Flandern mit zahllosen Toten hatte ihn musikalisch-schöpferisch gelähmt. Mit dem Cellokonzert hat er Abschied genommen von seiner Frau und vom Komponieren Es ist sein letztes großes Werk. Der Instrumentalverein hatte es zuletzt 2006 unter Frank Doolan mit Susanne Müller-Hornbach als Solistin auf dem Programm. Heute spielte Anne Yumino Weber, die Solocellistin des Sinfonieorchesters Wuppertal, das Konzert. In München in eine deutsch-japanische Familie hineingeboren, bekam sie ersten Cellounterricht bei Heinrich Klug (bis 1963 Solocellist in Wuppertal) studierte in Weimar und Berlin, ist solistisch mit namhaften Orchestern aufgetreten und seit 2019 1. Solocellistin im Sinfonieorchester Wuppertal. Die saubere, klanglich volle und homogene Übernahme des Cellothemas durch die Bratschen ließ bezüglich des Orchesters zum ersten Mal aufhorchen. Ausgefeilt in Agogik und Dynamik begleitete das Orchester die mit warmem Ton ihres Cellos von Nicolas Lupot (Paris, 1821) exzellent aufspielende Solistin, die dann im 2. Satz mit atemlosen, sehr schnellen Sechzehnteltriolen geradezu einen akustischen Mückenschwarm entfachte. Bei endlosen Cellokantilenen des Adagios entwickelte sich ein beseeltes Zusammenspiel in atmendem Pianissimo. Beim schnellen 4. Satz spielte die Solistin temperamentvoll mit Verve. Da mußte zwischendurch nachgestimmt und gerissenes Bogenhaar entfernt werden. Großer Applaus, Blumen für die Solistin. Leider keine Zugabe.
 

Foto © Johannes Vesper

In der Pause heulten plötzlich Sirenen und unter Lautsprecherdurchsagen verließ das Publikum zügig die Halle, während Feuerwehr und Polizei bereits mit zahlreichen Fahrzeugen die Straße gesperrt hatten. Es hat sich um einen Fehlalarm gehandelt (In der Stadthalle zuletzt vor etlichen Jahren). Immerhin hat die Räumung sozusagen als Übung problemlos geklappt!
Nach der Pause war dann Mendelssohns Reformationssinfonie (op. 107) zu hören, ein Jugendwerk (1728/29), welches posthum erst 1868 gedruckt worden ist und nach der Uraufführung im Nov. 1832 die Gunst des Publikums nicht gefunden hat. Er selbst schrieb an einen Freund: „…der erste Satz ist ein dickes Tier mit Borsten, als Medizin gegen schwache Magen zu empfehlen.“ Als Baß für die Bläser verwendete er erstmalig die Ophikleide, eine Vorläuferin der Tuba, die er selbst als „veredeltes Abflußrohr“ bezeichnete. Mendelssohn selbst mochte diese Sinfonie nicht, die technisch als sehr anspruchsvoll gilt und für jedes Orchester eine besondere Herausforderung darstellt. Mit dem Choral „Ein feste Burg ist unser Gott“ eröffnete die Flöte das Allegro maestoso des letzten Satzes, vermittelte protestantisches Gottvertrauen auch im Hinblick auf die musikalischen Schwierigkeiten der kontrapunktisch-sinfonischen Choralbearbeitung. Im Unterschied zum Komponisten und zu den Zuhörern 1832 aber zeigte sich das Publikum trotz mitunter indisponierter Bläser und gelegentlicher Intonationsprobleme der Streicher beeindruckt, spendete reichen Beifall und erklatschte enthusiastisch eine Zugabe (Ballettmusik von Tschaikowski).
 
Sinfoniekonzert Instrumental-Verein Wuppertal gegr. 1830. Wagner-Elgar-Mendelssohn-Bartholdy. Sonntag, den 12.Novenber 2023, 17:00 Uhr. Im Großen Saal der Historischen Stadthalle Wuppertal, Johannisberg 40. Richard Wagner: Vorspiel zu „Die Meistersinger aus Nürnberg“. Edward Elgar: Konzert für Violoncello und Orchester e-Moll op. 85. Felix Mendelssohn-Bartholdy: Sinfonie Nr. 5 d-Moll op. 107 Reformationssinfonie. Solistin: Anne Yumino Weber, Violoncello, Dirigent: Christof Hilger